Montag, 8. Oktober 2007

du, tram

heut bin ich mal zur tram gerannt, dass ich nicht der einzige war, gab mir hoffnung.
sie fuhr dann weg, ohne uns einsteigen zu lassen.
mein beherztes drücken auf den tram-öffne-dich-knopf war in beförderungstechnischer hinsicht wirkungs- und nutzlos.
ich bekam jedoch von meiner mit-zur-tram-rennerin ein wirklich zauberhaftes lächeln.
eines dieser wirklich schönen kömplettgesichtsmuskulaturlächeln.

wenn sie mich gebeten hätte, dafür zehn minuten in der kälte zu stehen, hätt ich das auch gemacht, wenn wir rechtzeitig an der tram gewesen wären.
ich überlege, ob ich ihr ein gespräch aufdrängen soll, entscheide mich aber dann dafür, meinem buch ein gespräch aufzudrängen, dieses dreht den spiess um. ich lese, und der massenträgheit wegen sausen meine augen manchmal über das zeilenende und den rechten buchrand.

'eine wirklich schöne frau', denke ich, immer wenn das passiert, obwohl ich das anders formuliere, wenn ich mit mir selber rede. ich vertrau mir eben - anders als euch, und darum rede ich mit euch nicht so.
ich möchte an dieser stelle all jene, die mit dem ausmalen meiner internen formulierungen über die stränge schlagen, darum bitten, das lesen augenblicklich einzustellen. ich bin anständig!
ich rauche und lese. sie telephoniert und raucht.
wenn ich in diesem augenblick wie ein indianer ein ohr auf die schienen gelegt hätte, hätte ich die nächste tram gehört und wäre nur wenige dutzend sekunden später von ihr überfahren worden.
'kein wunder, dass es nicht mehr so viele indianer gibt', denke ich.
in fast genau dem moment in dem ich überfahren worden wäre, trüge ich federschmuck, kommt die profi-lächlerin zu mir, und stellt ihr können unter beweis.
ich bemühe mich, so schön zu lächeln, wie ich nur kann - na ja, der gedanke zählt...
sie steht mir gegenüber. augen wie sterne.
'entschuldigen SIE, wissen SIE wie spät es ist?'
meine gedanken in diesem moment reichen von menschenverachtenen gewaltphantasien, über die frage 'ist nicht in jedem handy eine uhr?' bis hin zu menschenverachtenen gewaltphantasien.
statt sie oder mich zu töten sage ich: 'zwanzigEinundzwanzig', und denke daran, dass ich in diesem alter immer geduzt wurde.
die tram öffnet ihre türen.
sie bleibt draussen.
die tram schliesst ihre türen.
sie drückt verzweifelt wie auch vergebens auf den offnen knopf.
die tram fährt los.
ich schlage mein buch auf und lächele, eines von diesen zauberhaften gesamtgesichtsmuskulaturlächeln.
alles ist in ordnung. die welt gehorcht wieder meinen gesetzen.

(wenn sie sich weiterhin so blöde anstellt, könnt ich ja auch in ner stunde wieder hinfahren, und sie auf einen drink einladen)