Freitag, 30. Januar 2009

chakra

lange zeit habe ich es geschafft, nichts über meine krankheit im internet zu recherchieren, doch gestern ist es dann doch passiert. 'in der regel schlecht' stand dort unter der überschrift 'prognose'. nur gut, dass ich mich zurückhalten konnte, nachzuschlagen, was 'prognose' heisst.
es ist ohnehin interessanter, sich landkarten von hirnen anzuschauen. dort gab es auch viel interessantes zu entdecken. als die welt um mich herum in patchouli und spiritualität versank habe ich immer gedacht, dass mir das alles deswegen so fremd ist, weil ich nicht doof bin.
jetzt habe ich herausgefunden, dass mein tumor im sechsten chakra lag, welches, wie jeder weiss, für spiritualität und gotterkenntnis zuständig ist - na dann ist es ja kein wunder...

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völlig zu recht wurde ich just eben darauf hingewiesen, dass das sechste chakra natürlich das sog. dritte auge ist und das siebte chakra für gotterkenntnis zuständig ist.
sorry, das hätte man wissen können. ich habe also 'augenprobleme'.

Mittwoch, 28. Januar 2009

heimweh

fast schon wehmütig denk ich an das krankenhaus und kann glücklicherweise gefühle wie heimweh unterdrücken. ich hatte es mir da ja auch schön heimelig eingerichtet und dem personal einiges beigebracht.
als ich beim abschluss der bestrahlung gesagt bekam, dass man noch ein dokumentationsphoto machen würde, und fragte, ob ich lächeln soll, grinste die bestrahlerin mich freundlich an und sagte: 'das können sie ohnehin nicht mehr, wenn ich ihren kopf fixiert habe!'
herrlich! ich mag sowas!

ich hatte mir auch einen azubi dressiert. als der das erste mal meinen verband wechselte, sagte ich zu ihm, dass er nicht so still sein dürfe, sondern auch mal mit den patienten reden muss, wie z.B.: 'puhh - sehen kann ich das ja - aber der geruch...'
seit dem ist er zur hochform aufgelaufen und klopft beim verbandwechsel immer wieder sprüche wie:
'herr [zanahoria] ich wurde ja in der ausbildung auf einiges vorbereitet, aber DAS...'
'ich konnte ja letzte woche nach dem verbandwechsel bei ihnen nicht mehr schlafen. ich hatte ja gebeten, das heute nicht tun zu müssen.'

hundejahre

ich verstehe die welt hier draussen gar nicht mehr. heute habe ich das erste mal im leben mit einer computerin telephoniert. ich sollte nur eine einzige frage beantworten und hätte die chance, eine menge geld zu gewinnen. sie stellte mir die frage, ob die wirtschaftskriese dazu geführt habe, dass ich weniger geld ausgebe.
ich sagte nichts und hier im hintergrund bellte dann ein hund.
sie bedankte sich sich freundlich für die antwort.
ich bin gespannt auf die auswertung.

Dienstag, 27. Januar 2009

wunderland

ich bin in freiheit. eine woche erholungsurlaub vom krankenhaus.
eine ganz andere welt ist das hier draussen.
nach ein paar arztbesuchen war ich dann im supermarkt. ich kann nur jedem empfehlen, sich mal ein paar monate in einem weissen raum ins bett zu legen und sich der welt zu entziehen. anschliessend ist jeder supermarkt wie ein kleiner freizeitpark. ich stand heute vor einem regal und habe begeistert 33 verschiedene sorten ketchup gezählt. an einigen regalreihen bin ich nur vorbeigegangen, weil mir aus der entfernung die farben so sehr gefielen.
wie ein kleiner capitano im wunderland.
wenn mich jemand an der hand aus dem supermarkt gezerrt hätte, ohne mir etwas zu kaufen, hätte ich sicher angefangen, laut zu schreien.

Samstag, 24. Januar 2009

nebenwirkung

da die freundliche ärztin, die eigentlich mit mir meine chemotherapie durchsprechen sollte, leider das konzept für meine therapie nicht vorliegen hatte, redeten wir allgemein über chemotherapien. als sie ansprach, dass ich mein haupthaar verlieren könnte, strich ich mir über die kopfhaut und lächelte sie an - das eis war gebrochen. wir schmunzelten.

Donnerstag, 22. Januar 2009

letzte bestrahlung

heute hatte ich die letzte bestrahlung. ich wurde nocheinmal als musterpatient gelobt - zum einen weil ich so ruhig und artig liegenbleibe und zum anderen, weil man auf meiner glatten haut die markierungen so schön malen kann.
eine von den bestrahlungsfrauen hat mir erzählt, dass sie als kind einen teddybären mit langem fell hatte, dem sie immer wieder mit der schere das fell kürzte. meine frage, ob so ihr berufswunsch so entstanden sei quittierte sie durch heftiges kichern.

aggressiv

heute hat mir eine freundliche ärztin erzählt, dass mein tumor sehr aggressiv sei.
na ja, hab ich gedacht, kein wunder, bei der musik, die der in seiner jugend gehört hat.

Mittwoch, 21. Januar 2009

der kleine unterschied

heute war ich wieder im keller bei der bestrahlung, für die ich hier versuche, die bezeichnung sonnenbank durchzusetzen. ich wollte vorher noch schnell auf die toilette und benutzte, weil die herrentoilette lange besetzt war, jene für damen. sieht genau so aus, wie die herrentoilette - ausser - ja, ausser dem grossen mit rotem riesenfilzstift beschriebenem papier auf dem der spülknopf erklärt wird...

Samstag, 17. Januar 2009

unheimlich

auf dem flur vor meinem zimmer steht ein kleines weisses gerät, auf dem steht: 'patientenkühlschrank'
ich hab lieber nicht reingeschaut.

Freitag, 16. Januar 2009

zunahme

während vielen leuten ihre gewichtszunahme sorgen bereitet, erfahre ich gerade eine massive gesichtszunahme. mein gesicht erstreckt sich schon fast einmal um den ganzen kopf herum.

Donnerstag, 15. Januar 2009

esspapier

heute habe ich das erste mal im leben daran gedacht, taschentücher zu essen. ich weiss auch nicht, wie ich auf die idee gekommen bin - vielleicht weil die schwestern mit den tüchern, das auslaufende morphin meines bettnachbarn aufwischten.
ja, wahrscheinlich hat es damit zu tun.
hängt aber wohl auch damit zusammen, dass ich so erzogen wurde, dass man alles wenigstens einmal probiert.
keine angst - ich hab nicht überlegt, weil ich grosse schmerzen hatte.
mehr so aus langeweile...
ich hab es dann aber nicht gemacht.

Mittwoch, 14. Januar 2009

nachtschicht

gestern nacht hat mein bettnachbar (er hat ein eigenes bett) angefangen zu piepsen. irgendeine medikamenten-dosiermaschine hat sich beschwert - warum oder worüber wusste keiner.
dann kam aber eine schwester mit dem festen willen sich drum zu kümmern.
ein fester wille oder mühe geben reicht leider nicht immer.
so stand sie dann irgendwann mit der maschine in beiden händen inmitten des raumes, hob diese auf augenhöhe und schrie die maschine an: 'Du blödes Ding!!'
ich bin mir fast sicher, dass die maschiene in diesem augenblick ähnliches über die schwester gedacht hat.
ich ja auch.

Montag, 12. Januar 2009

wie war ich?

eigentlich bin ich gar nicht so ein typ, der gleich danach fragt: 'wie war ich?' aber am ende der op, an welcher ich heute in der rolle als wacher patient teilnahm. konnte ich mir das nicht verkneifen.
selbstverständlich antwortete eine schwester 'Wunderbar!'
jetzt wär der zeitpunkt gewesen, sich mit dem arzt auf die bettkante zu setzen und eine zu rauchen - aber wir sind ja beide nichtraucher.

Samstag, 10. Januar 2009

was ist mit meinem arm

'herr [zanahoria] was ist denn mit ihrem arm los?' fragt mich eine schwester auf dem gang.
ich halte den arm waagerecht vor meinen bauch und habe eis draufgelegt, weil er so zerstochen von infusionsnadeln ist.
und ich antworte der schwester logischerweise: 'ich habe da eis drauf liegen.' und füge natürlich auch noch superklug hinzu: 'zum kühlen!'
irgendwie ist im gesamteindruck, die antwort weniger höflich, als sie hätte werden sollen. ich gehe weiter den gang entlang. wieder eine schwester, wieder die gleiche frage. und ich habe gelernt und antworte: 'ich halte den arm so angewinkelt, damit das eis nicht herunterfällt!'
na super! das war wieder nix.
vielleicht fragt ja nochmal jemand.

Freitag, 9. Januar 2009

unterhaltung

ich habe eigentlich kein fernsehgerät - wohl einer der gründe, warum ich ausgesprochen wenig fernsehe.

hier im krankenhaus hab ich eines und lieg hier also im bett, werde künstlich ernährt und schaue den ganzen tag kochsendungen und krankenhaus-dokumentationen.

aber heute hat die ärztin absperrband über mein bett ziehen lassen - damit ich mich mehr bewege. und damit ich mehr esse, bekomme ich jetzt cannabis-tropfen.
die haben glücklicherweise -möglicherweise nur psychosomatisch- leicht stimmungsaufhellend gewirkt.
gute alte indianer-medizin für den kahlen cowboy...
gegessen hab ich aber nicht mehr - wozu auch?? am ende nehmen sie mir die tropfen weg!

fremdworte

bevor ihr mal eure ärztin für ihre synthetische art lobt, und beteuert, dass sie die korpulenteste aus dem ganzen team sei, kauft euch lieber ein fremdworte-Dings.

Montag, 5. Januar 2009

neuer pfleger

heute morgen hat sich ein neuer pfleger vorgestellt.
ein auszubildener.
ein paar stunden später kam er in mein zimmer und wollte mir einen zugang in die vene legen.
'ich kenn sie!' schrie ich 'sie sind neu!'
und 'ist das ihr erster zugang?' hab ich ihn gefragt.
ich hätte ihn nicht nervös machen sollen...
ich hab jetzt zwei pflaster im arm und einen zugang, den sein kollege mir dann gemacht hat...
und heute abend gibt es fein essen direkt ins blut.
essen ohne kauen ein traum für jeden trägen menschen.

Sonntag, 4. Januar 2009

ich bin ein model

'ich bin ein model und ich seh gut aus. ich nähm mich heut gerne mit zu mir nach haus.' denkt es immer in mir, wenn ich worte wie 'zwangsernährung' höre.
dabei bin ich eigentlich mehr wie crocodile dundee oderso - ich hab mir nämlich ein loch in der stirn nach ner op ohne betäubung zunähen lassen. 'herr [zanahoria] ich muss ihre stirn noch nähen ist auch nur ein stich. ich hol noch schnell die betäubungsspritze'
'moooment!!' unterbricht [capitano] 'wenn sie nur einen stich machen, ist das unlogisch, mich mit einer spritze zu betäuben - die macht auch einen stich ohne betäubung'
die logik hatte gesiegt - ich wurde nicht betäubt.
nach einiger zeit, die sie mit ihren händen auf meiner stirn verbrachte, hatte ich allerdings den eindruck, dass sie mir eine hose näht. das ist die typische ein-stich-lüge.
wahrscheinlich bekommen mediziener das gleich beigebracht:
<100 stiche = 1 stich
auf jeden fall bin ich jetzt ein held und muss mit rocky und so in einem satz genannt werden.

Donnerstag, 1. Januar 2009

gamma ray - mighty and unfailing

morgen gehts wieder los und heut komm ich schon in einen weissen raum.
wenn ich auf dem tisch festgemacht und ausgerichtet bin, um bestrahlt zu werden, habe ich immer einen musikwunsch. immer lieg ich da und mir swirrt 'gamma ray' im doppelten sinn durch den kopf
die haben da so viel der modernsten technik im raum, aber nichts, was meine schallplatten abspielen kann.
das ist schade.
'if i were a gamma ray, a gamma gamma
gamma ray made of pure existence
if i were a gamma ray, a gamma gamma
gamma ray mighty and unfailing
i’d radiate love, to fight misery'

(BirthControl)
vielleicht kennen die es nicht einmal.
dabei hat der schlagzeuger später die erste deutsche titten-spielshow moderiert.