Montag, 4. Februar 2013

hä?

eine frau, die mit mir im gleichen s-bahn-waggon sitzt, mobiltelephoniert.
die beschäftigung mit einem mobiltelephon ist, glaube ich, die beliebteste tätigkeit von s-bahn passagieren. nahezu alle, oder besser: gefühlt alle, s-bahnisten beschäftigen sich mit dem telephon - sie streicheln, sie piepsen und sie klingeln, sie wischen, sie surfen, sie hören musik oder sie telephonieren.
die wenigen, die ein buch lesen, haben ein kindel.

ich bringe mein kindel (marinero) gerade nicht zur schule, sondern in die ferien und komme mir mit kind statt kindel und notizbuch mit stift statt eines 'pad' ein wenig wie ein historisches relikt vor.

manchmal nimmt marinero ein buch mit und wir lesen uns abwechselnd laut daraus vor.
noch nie hat uns einer als störer der s-bahn-ruhe beschimpft.
wir hatten sogar schon einige male publikum.
ich glaube, über lesende kinder darf man sich im land der dichter und denker einfach nicht beschweren.
das dürfte in etwa so unpopulär sein, wie sich ausserhalb von mecklenburg-vorpommern über verlorene ost
gebiete zu beschweren.

doch zurück zur frau - nicht im allgemeinen, sondern zu jener aus dem ersten satz dieses berichtes - diese mobiltelephonierende scheint ihren gesprächspartner schlecht zu verstehen.
dieser eindruck drängte sich mir auf, weil sie regelmässig einen laut austiess, so etwas, wie ein 'HÄ?' einer mittlerweile beinahe anerkannten form der mitteilung des nichtverstehens.
ein 'HÄ?' mit einer kraus gezogenen stirn zeigt intellektuelles nichtverstehen an,
wähernd ein 'HÄ?' verbunden mit dem präsentiren eines ohrs auditives nichtverstehen andeutet.

da beim telephonieren generell und insbesondere beim mobiltelephonieren stets das ohr präsentiert wird, und auch oft themengebietsbedingt zumeisst ein intellektuelles nichtverstehen ausgeschlossen werden kann, steht ein 'HÄ?' bei einer fernmündlichen unterhaltung für die bitte nach wiederholung des eben gesagten.
der ein oder andere leser mag sich an die frau aus dem ersten satz dieses textes erinnern, sie mobiltelephonierte und benutzte recht häufig die, in der nächsten ausgabe des duden zu berücksichtigende, floskel 'HÄ?'

dieser frau gelang es, das 'HÄ?' weiter zu verkürzen - verkürzt zu einer art schluckauf, nur in die entgegengesetzte richtung, also statt einem kurzem hä-einatmen, ein hä-ausatmen oder hä-bellen.
obwohl dieses mehrfach verkümmerte stück sprache so überaus kurz ist, ist es doch ganz eindeutig als soetwas ein fragewort zu identifizieren.

irgendwie war ich, weil ich mein wochenende mit meinem marinero verbracht hatte, ganz  im elternteilmodus, uns kann mich nur mit mühe zurückhalten 'das heisst WIE BITTE? !!!' zu rufen.