Mittwoch, 19. Dezember 2007

gehweg intim

heut bin ich auf einem gehweg zu fuss gegangen. das tue ich täglich. zum einen weil mein fahrrad kaputt ist, und ich nicht weiss, was ich als einzelner mensch dagegen unternehmen kann, und zum anderen weil die wege, die ich gehe, eher kurz sind. auf den gehwegen begegne ich immer menschen, rede aber mit den wenigsten und werde für gewöhnlich nicht intim mit ihnen. heute kamen mir zwei menschen auf einem gehweg entgegen. es waren weit und breit die einzigen menschen ausser mir und sie hatten ganz offensichtlich geistige getränke zu sich genommen. einer von ihnen war deutlich betrunkener als der andere und musste von dem anderen gestützt werden. der eine war gross und schmächtig und der andere etwas kleiner und dick. dass der lange dünne nüchterner war, ist eine glückliche fügung des schicksals, denn soherum sah das einfach am tollsten aus.
ich passierte die menschen und sah, dass sich ihre schatten auf dem boden vor mir umdrehten. dann pfiffen sie mir hinterher. das bin ich natürlich gewohnt und ging einfach weiter. es fing erst an, mich zu nerven, als sie mir einen spitznamen gaben: 'balu'.
sie pfiffen und schrien 'balu! balu!'. na ja, ich hab in den letzten zwei jahren etwas zugelegt, aber mich mit dem bären aus dem dschungelbuch zu vergleichen, fand ich total übertrieben. menschen, mit denen ich so intim bin, dass sie mich verspitznamen dürfen, habe ich mindestens einmal im leben nüchtern gesehen. na, und gerade, wenn man selber sehr viel dicker ... 'baaaaluuuuhuu!' ...gleich dreh ich mich auf dem absatz herum und verprügele euch! meine letzte prügelei fand zwar vor fast zwanzig jahren in einem bud spencer film statt, aber er hatte mir alles beigebracht, was ich wissen musste. ...gleich, ja gleich...'balu baaluuu!' ...bleib ruhig, [capitano] , bleib ruhig! versuchs mal mit gemütlichkeit, mit ruhe und gemütlichkeit....scheisse, jetzt hab ich auch noch einen ohrwurm...
kurz bevor ich zu gedanken kam wie nach möglichen wurfgeschossen ausschau zu halten, die -geworfen von jemandem der mehrere wochen lang aktives mitglied eines handballvereines war - eine beachtliche wirkung beim aufprall erzeugen zu könnten, kam ein hund aus der seitenstrasse vor mir und lief begeistert an mir vorbei. schnurstracks auf die personen zu, die ich knapp dreissig sekunden vorher an vorderster stelle auf meine 'zuallererst-zu-töten-sobald-es-legal-ist-liste' gesetzt hatte. vielleicht ist er auch an ihnen vorbeigelaufen, ich weiss es nicht - ich habe mich nicht umgedreht.
die rufe hörten nun auf - ich musste ausser hörreichweite sein. endlich!

ich weiss selbst gar nicht genau warum, aber mich würde total interessieren, wie der hund wohl hiess.
ich werde es nie mit sicherheit wissen.

Dienstag, 18. Dezember 2007

risikothesen und blaulichtberechnung

als ich noch deutlich jünger war als vor einem jahr, brachte mir mein vater in der badewanne ein lied bei.
'wasser ist zum waschen da,
fallerie und fallera.
auch zum zähneputzen
kann man es benutzen,
auch die feuerwehr
mag das wasser sehr.'
es ist merkwürdig, dass ich mich noch heute daran erinnere, aber es hat eine eindeutige botschaft und ist nicht zu lang. noch merkwürdiger ist, dass noch vor dreihundert jahren das wort merkwürdig genau das hiess, wonach es sich anhört: 'wichtig' - des merkens würdig wenn man so will. und am aller merkwürdigsten ist, dass genau in dem augenblick in dem auf dunklen winterstrassen meiner stadt viele rote feuerwehrautos mit blaulicht an mir vorbeifuhren, das alte badewannenlied meines vaters nicht das war, an was ich dachte.
um ehrlich zu sein habe ich auch keine ahnung mehr, was ich genau in diesem moment dachte, aber es war bestimmt nicht das lied. es gibt ja unendlich viele gedanken, die man haben kann, aber die zeit dafür ist begrenzt. ich bin kein mathematiker, aber über den daumen gepeilt ist die wahrscheinlichkeit, dass ein gedanke gedacht wird so verschwindend gering, dass ich bezweifeln möchte, dass gedanken überhaupt gedacht werden.
ich zweifele an, dass gedanken gedacht werden!
ja, ich weiss - ihr lacht mich jetzt alle aus, und findet das mathematisch problematisch, an den haaren herbeigezogen und in sich unschlüssig.
aber es gibt zwei strategien: einige tiere zeugen sehr selten einzelne nachkommen und kümmern sich darum, solange diese noch schwach sind, andere tiere erzeugen häufig tausende an nachkommen, von denen die allermeisten sterben, während sie noch schwach sind, weil sich die eltern nicht kümmern. das kommt, weil die ersteren tiere spezialisiert aufs sich kümmern sind. wäre ich also aufs denken spezialisiert, würd ich das ganz viel tun, eine these formulieren und dafür den nobelpreis einheimsen. ich aber versuche möglichst viele thesen in die welt zu setzen, und hoffe, dass zumindest eine es zu was bringt. und wenn meine these von jemandem bewiesen wird, und dieser jemand den nobelpreis einheimsen soll, verklage ich ihn.
ich setze dabei verstärkt auf risikothesen. je höher das risiko, desto höher der gewinn im erfolgsfall. ist doch klar.
merkwürdig ist auch, dass ich genau in dem augenblick, als die feuerwehrwagen in eine andere strasse abbogen, auch in dieser geschichte der rote faden verschwand. wie ein roter faden sahen die ganzen blaulichtbehangenen feuerwehrwagen auch aus, als sie in die strasse abbogen, in der ich wohne. sie verschwanden in der strasse und an den fassaden der häuser konnte man nur noch das blaulicht fahren sehen. gleich würde es gänzlich in der strasse verschwinden.
tat es aber nicht. nun, ich bin kein mathematiker und auch (noch) kein nobelpreisträger, aber mein räumliches vorstellungsvermögen ist ganz gut in blaulichtberechnung und sagte zu mir: 'du, [capitano], die stehen genau vor dem haus in dem wir wohnen!'
ich würde hier nun gern erklären, was für gedanken ich in diesem moment hatte, aber leider ist es sowas von unmöglich unwahrscheinlich, dass ein mensch gedanken denkt, dass ich an dieser stelle keine lust habe, genauer zu untersuchen, ob ich welche hatte.
ich möchte viel lieber nocheinmal in aller klarheit sagen:
willst du ein tischtuch lange halten, falt es in die alten falten!
und:
keine primzahl lässt sich durch eine andere primzahl dividieren, wohl aber mit ihr multiplizieren!
risikothesen...
ach ja, der rote faden, also die feuerwehrautos, standen tatsächlich vor dem haus in dem ich wohne. nein, das haus in dem ich wohne hat nicht gebrannt, anderenfalls wäre es zum zeitpunkt dieser niederschrift wohl auch das haus in dem ich wohnte. eigentlich war nirgendwo in der nähe ein sichtbares feuer. aber die feuerwehrmenschen werden schon wissen, was sie tun, die haben ja einen roten faden.

Donnerstag, 13. Dezember 2007

gewürzstreuer IV


gewürzstreuer I
gewürzstreuer II
gewürzstreuer III


sehr geehrter herr [kuechenGeraeteHerstellerDesignManager],

erstaunlich, dass es in ihrem hause keine untersuchungen darüber gibt, wie blinde ihre gewürze dosieren.
aber man kann ja nicht immer an alles denken.

gern würde ich ihnen einen prototypen zusenden.
(ich gehe davon aus, dass ich ihn eines tages zurückgeschickt bekomme.)
an welche adresse soll ich das schicken? zu ihren händen?

da dies meine erste geniale erfindung ist, bin ich nicht vertraut mit den üblichen konditionen.
ist eine einmalige zahlung oder die direkte beteiligung am erfolg des produktes üblich?

mit freundlichen grüssen

[capitano zanahoria]


gewürzstreuer V
gewürzstreuer VI
gewürzstreuer VII
gewürzstreuer VIII

gewürzstreuer III


gewürzstreuer I
gewürzstreuer II


Sehr geehrter Herr [zanahoria],

vielen Dank dafür, dass Sie bei Ihrer genialen Erfindung gleich an die [kuechenGeraeteHersteller] gedacht haben.

Ich weis auch nicht wie Blinde Menschen bisher Ihre Gewürze dosiert haben, vielleicht ist Ihre Erfindung ja eine Bereicherung für Blinde.

Um Ihnen eine befriedigende Antwort geben zu können, sollten wir natürlich mehr über diesen Artikel wissen. Also bitten wir Sie uns Zeichnungen oder Funktionsmodelle zu senden um uns eine Meinung bilden zu können. Selbstverständlich behandeln wir diese Angelegenheit vertraulich und geben auch Dritten gegenüber keine Informationen weiter.

Des Weiteren sollten Sie uns sagen wie Ihre Konditionen für einen eventuellen Ankauf Ihrer Erfindung seitens der [kuechenGeraeteHersteller] aussehen.

Wir freuen uns auch Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen / best regards

[kuechenGeraeteHerstellerDesignManager]

Design-Management [kuechenGeraeteHersteller]


gewürzstreuer IV
gewürzstreuer V
gewürzstreuer VI
gewürzstreuer VII
gewürzstreuer VIII

Mittwoch, 12. Dezember 2007

gewürzstreuer II


gewürzstreuer I


...und dann ist mir noch was aufgefallen...
...ich bin manchmal so ein pedant...

liebe freunde guter, sehr guter und perfekter küchengeräte,

noch was:
wenn man das kontaktformular absendet (und auf die erfolgsbestätigung wartet), steht in der titelleiste des browsers '
[kuechenGeraeteHersteller] relaunch'. das ist mit sicherheit werder schön, noch gewollt.
ansonsten ist ihre präsenz sehr schön und mässig übersichtlich.

es hofft, ihnen bei der allgemeinen qualitätsverbesserung helfen gekonnt zu haben

[capitano zanahoria]


gewürzstreuer III
gewürzstreuer IV
gewürzstreuer V
gewürzstreuer VI
gewürzstreuer VII
gewürzstreuer VIII

gewürzstreuer I

ich habs euch sicher vor angst vor ideenklau verschwiegen, aber ich habe eine erfindung gemacht. es ist an der zeit [kuechenGeraeteHersteller] zu schreiben, ob er sie nicht mit mir zusammen produzieren möchte.

liebe freunde guter, sehr guter und perfekter küchengeräte,

allem voran, möchte ich inen gern mitteilen, dass ich ihre produkte sehr schätze. die allgemeine wertschätzung ihrer produkte geht sogar so weit, dass meine frau mich einst bat, die [kuechenGeraeteHersteller]-aufkleber von den gläsern nicht zu entfernen 'das sollen ruhig alle sehen, dass das [kuechenGeraeteHersteller] ist!'. ich fügte mich, und als sie mich dann trotzdem verliess hab ich gleich die aufkleber abgemacht. sorry, das geht nicht gegen sie - ich mag keine aufkleber.

mein eigentliches anliegen ist aber, dass ich vor kurzer zeit bemerkte, dass ich ein genialer erfinder bin. und weil ich sie so mag, möchte ich ihnen als erstes das angebot machen, ihnen meine erfindung zu verkaufen. sie dürfte in ihr programm passen.
es geht um einen barrierefreien gewürzstreuer.
wie dosieren blinde ihre gewürze? wie finde ich eine einfache masseinheit, in der ich dem döner-mann erklären kann, wie scharf ich meinen döner gern hätte? bislang waren das ungelöste fragen.
ich habe nun einen gewürzstreuer entwickelt, der eine arkustische rückmeldung über die gestreute menge gibt. er berücksichtigt dabei geschwindigkeit, richtung und abbremsen des streuers im laufe des gesamten streuvorgangs.
dies soll für einen erstkontakt an technischen daten vorerst ausreichen.
meine produktionskosten in einzelfertigung belaufen sich auf etwa 9.00€ - nicht eingerechnet etwa 90 min arbeitszeit.

über eine fruchtbare zusammenarbeit würde ich mich sehr freuen.

[capitano zanahoria]

p.s. können sie mir welche von diesen aufklebern schcken, wo '[kuechenGeraeteHersteller]' und 'made in germany' drauf steht? ich würd die gern zu weihnachten verschenken.


gewürzstreuer II
gewürzstreuer III
gewürzstreuer IV
gewürzstreuer V
gewürzstreuer VI
gewürzstreuer VII
gewürzstreuer VIII

Mittwoch, 5. Dezember 2007

grenzen der anonymisierung

heute hab ich an einer ampel gestanden. ich wäre gegangen, statt zu stehen, aber sie war rot und ein kleines kind neben mir. neben dem kleinen kind - auf der anderen seite - also von mir aus betrachtet hinter dem kind, stand eine frau mit einem kinderwagen, in dem ein kleiner mensch lag. diese frau war offensichtlich dessen mutter und auch die mutter des direkt neben mir stehenden kindes. irgendwann spricht sie das neben mir stehende kind an, und sagt: '[vorname], fass mich schön an der hand!'
ja, hier stosse ich an die grenzen der anonymisierung. die geschichte ist so nicht lustig.
ich erzähls jetzt einfach:
sie sagte: 'atari, fass mich schön an der hand!'
ich habe leider versäumt, sie nach dem namen des kleineren kindes zu fragen. ich fänd ja ipod schön, oder auch pong.

atari heisst aus dem ausländischen ins deutsche übersetzt soviel wie 'treffer' oder 'sieg'.

Sonntag, 2. Dezember 2007

welthochzeitstag

ich weiss gar nicht, ob ihr das schon wusstet, aber die welt verändert sich. und das ständig. meine eltern zum beispiel feiern ihren hochzeitstag am weltaidstag, obwohl sie gar nicht am weltaidstag geheiratet haben. den gab es damals noch nicht. gab ja nichtmal aids.
heute auf der strasse wollte mir auch gleich jemand eine rote ansteckschleife andrehen. ich bin einfach an ihm vorbeigezischt. 'schleife' 'weltaidstag' waren die worte, die ich noch hörte, als ich schon weitergegangen war. zwei worte, zwei gedanken - der erste gedanke war: oh, hochzeitstag der eltern, da melde ich mich heute mal. der zweite gedanke war: oh gott, du böser mensch (ich) jetzt hast du keine schleife! du kannst später nicht von dir behaupten, du hättest etwas dagegen unternommen. wahrscheinlich rafft die seuche bald die hälfte der menschheit hin.
aber seien wir mal ehrlich, die meisten von denen hätten ohne aids auch nicht viel länger gelebt. und die allermeisten hätten nichtmal mit fernglas bemerkt, dass ich ein schleifchen trage.
rote schleife im dezember. was für ein symbol. wieviele anti-aids tannenbäume es wohl so gibt?
ja ich weiss, alles grenzwertige gedanken, aber - wir sind noch immer im zweiten gedanken - ich habe das ja nur gedacht, und nicht gesagt, oder geschrieben, und denken darf man noch immer alles. nach den tannenbäumen war der gedanke dann auch so weit abgeschweift, dass er nicht weiter erwähnenswert ist. ende des zweiten gedankens.

ja, liebe freunde von geld und luxus, dann war ich tatsächlich im casino. zum ersten mal im leben - zumindest wenn man nicht mitrechnet, dass ich als jüngling einst drei mark in briefmarken an das casino wiessbaden schickte, mit der bitte, sie mögen das geld in einer vollmondnacht um mitternacht auf schwarz setzen. die haben mir dann meine briefmarken einfach zurückgeschickt.
in solchen fällen such ich mir immer einfach andere brieffreunde.
nun war ich wirklich da. roulette ohne revolver konnte man dort spielen. zwar nicht um echtes geld, sondern um kunststofftaler, die man gegen echtes geld eintauschen kann, welche man aber auch für echtes geld kaufen muss. ja, so einfach ist das. und ich war dort.
was soll ich sagen? ich muss in meinem leben nicht mehr unbedingt arbeiten gehen, wenn ich nicht will. wahnsinn!
und das kam so: ich hab schon immer gern viel auf eine karte gesetzt. rot oder schwarz, verdopplung des gewinns - da kann man ja gleich einen bausparvertrag abschliessen. auf eine kleine anzahl von zahlen zu setzen ist ein guter weg, schnell viel zu verlieren, aber eben auch der einzige, schnell hoch zu gewinnen. ich hatte kaum noch chips in der hand, da habe ich mir gedacht - du setzt jetzt alles auf die sieben - habe dann aber gedacht: neee,ich setz mal doch lieber auf alle geraden zahlen. alle ausser einen chip hab ich dann auf die graden zahlen gesetzt.
ich muss jetzt nicht noch extra erwähnen dass die sieben gefallen ist, oder?
das wär ja echt wahnsinn, wenn gleich nochmal die sieben käme. ist aber ja überhaupt gar nicht unwarscheinlicher als vorher. wenn es nur genug roulettische auf der welt gäbe, gäbe es einen, auf dem hundert mal die zahl sieben nacheinander fällt. ich würde meinen letzten chip auf die sieben legen. jetzt lag mir die welt zu füssen - ich hatte ein spielsystem!
na ja und dann ist irgendeine andere zahl gefallen und ich bin nach haus.
das macht aber nichts, denn das ist der einzig spannende weg, zu spielen.
und jemals arbeiten, wenn ich keine lust dazu habe, brauche ich dank meiner geringen ansprüche und dem sozialstaat ja ohnehin nicht.
ja, jetzt ist es früh am morgen, der weltaidstag ist vorbei, und ich habe mich nicht bei meinen eltern gemeldet.

ich werde einfach diesen text in eine mail kopieren, und sie ihnen schicken.
oh, moment:

herzlichen glückwunsch zum hochzeitstag!
euer sohn
[capitano zanahoria]

so jetzt passts.