Mittwoch, 31. Oktober 2007

gesichttrinker

vor einer halben stunde noch habe ich gedacht, ich schreib euch was schönes über die öpnv nutzer heut neben mir in der tram, die mit ihren fernsprechapparaten und mit diesen verbundenen kabeln offensichtlich musik hörten. dies hat sie leider sehr dabei gestört, sich zu unterhalten.
das haben sie aber sogar selber recht fix gemerkt und dann hat immer die person, die grad nicht den mund bewegt, die kabel aus dem ohr genommen, um sie, sobald sie selber den mund bewegte, flugs wieder hereinzustecken.

na ja, viel zu sagen hatten die ja auch nicht.
und schreiben tu ich darüber schon gar nicht.
wenn die nicht sich selber und gegenseitig als langweilige person empfänden, bräuchten die ja nicht ständig musik.

ausserdem wurde ich heut mit werbeplakaten bombardiert, die mir irgendeinen fruchtsaft anpriesen.
das ist nur auf den ersten blick genauso langweilig wie mp3-handy-besitzer, denn auf diesen plakaten stand:

'der leckere ganzkörperdrink'
dass muss man sich mal auf der zunge - nein! besser auf dem ganzen körper - zergehen lassen.
wie trinkt man einen ganzkörperdrink?
ganz spontan würden mir fünf körperöffnungen einfallen, die mehr oder weniger zur flüssigkeitsaufnahme geeignet sind: mund, nasenloch rechts, nasenloch links und dann noch zwei.
aber wer will sowas?
werden bald in restaurants getrennte bereiche eingeführt?

kommt dann ein ober zu mir, und weist mich freundlich hin: 'entschuldigung, aber hier ist nur für gesichttrinker. bitte gehen sie in den gesässtrinker bereich.'

vielleicht will die fruchtsaftfirma-werbeagentur mit diesem klasse spruch auch nur auf die wirkweise des ganzkörperdrinks hinweisen. aber, da offensichtlich diesem getränk kein alkohol zugefügt wurde, ist davon auszugehen, dass das nicht gemeint ist.

das muss ich, glaub ich, mal wissen.
ich werd mir die plakate morgen mal genau anschauen, und dann werd ich mir einen neuen brieffreund angeln.
aber mit einer einfachen brieffreundschaft werd ich mich nicht zufrieden geben.
ich will eine ganzkörperbrieffreundschaft!





Samstag, 27. Oktober 2007

armut

ich war heut schon wieder geld holen.
das leben ist teuer, und wird immer teurer.
das erste vernünftige angebot seit langem hab ich heute auf dem bahnhof bekommen,
was mich wunderte, weil ja in tankstellen, bordellen und bahnhöfen immer alles viel teurer ist, als in nicht-verkehsknotenpunkten.
'20 cent für einen obdachlosen' war der markige werbespruch, den der unrasierte verkäufer mir entgegenrief.
aber was soll ich mit so einem??
der wird bei regen ja immer nass.
grad jetzt im winter müsste man sich ständig um den kümmern.
gut, dass ich keinen habe.

Montag, 22. Oktober 2007

default-gedanken

heute wurde ich aufgefordert 'du weisst schon was' zu machen.
und, was soll ich sagen, einen wie mich fordert man nicht zweimal dazu auf. ich hab gleich damit angefangen. dauert ja nicht lang und tut auch nicht weh. ich würd sogar sagen, es hat spass gebracht.
kurz danach wurd ich dann ja auch gelobt, und es wurde behauptet, ich hätte du-weisst-schon-was ganz toll gemacht.
ja, das hört man immer gern.
das zaubert ein lächeln aufs gesicht, genau wie das schreiben dieses textes. und zwar weil ich genau weiss, dass es euch vollkommen unmöglich ist, diesen text zu lesen, ohne du-weisst-schon-was durch irgendetwas zu ersetzen. und ich kann hier lächelnd sitzen, wissend, dass kein einziger leser du-weisst-schon-was durch das richtige ersetzen wird.
vielleicht werd ich irgendwann dieses wissen bei sotheby's versteigern lassen.
oder eben bei ebay - das kommt ganz drauf an, wie weit ich es im leben noch bringe.
aber es macht auch nichts, dass ihr nicht wisst, was hinter du-weisst-schon-was steht.
dieser text hat euch sicher geholfen euren eigenen default-gedanken zu du-weisst-schon-was zu finden. und das ist interessant!

ich weiss, dass ihr gerade lest.
ich weiss auch, was ihr gerade lest.

was ich nicht weiss, ist, wann genau gerade ist, und was ihr gerade denkt.

und verdammt. ich würde meinen ihr-wisst-schon-was geben, um zu erfahren, was ihr gerade denkt.

Donnerstag, 18. Oktober 2007

am besten arbeitet man berührungsfrei

wenn eltern frühzeitig die talente ihrer kinder entdecken und fördern wollen, schicken sie sie irgendwohin, wo man irgendwas macht.
in meinem fall war das glockenspiel und xylophon und die 'musikalische früherziehung'.
das hat auch total prima geklappt.
nach kurzer zeit bereits, konnte ich jedem mein talent beweisen.

die zeiten, in denen keiner wusste, dass ich absolut kein talent für das musizieren habe, waren endgültig vorbei.
aber ich konnte allen zeigen, wie weit man es bringen kann, wenn man faul ist, aber sich geschickt dabei anstellt.
nicht mozart und nicht bach, nein ich, kann perfekt nach auge spielen. das bedeutet, man schaut auf das nachbarxylophon, und tut so, als würde man auf die gleichen tasten schlagen.
wichtig für die perfekte illusion hierbei ist, dass man die tasten allerhöchstens geräuschlos streichelt. am besten arbeitet man berührungsfrei.
das gibt einem die sicherheit, für keinen falschen ton verantwortlich zu sein, sieht super aus und beschert einem das befriedigende gefühl, alle zu verarschen.
so ganz verbergen lässt sich das natürlich nicht. ein heisses xylophon-solo ist eben deutlich langweiliger ohne ton.
aber ich hatte mein talent entdeckt: faulheit.
es ist dabei auch egal, ob es zu arbeitsersparnis führt, oder eher zu mehr mühe und arbeit.
wichtig allein ist, den gestellten arbeitsauftrag nicht auszuführen, sondern zu umgehen, ohne dass es jemand merkt.

es ist ein unglaublich kreativer vorgang und bringt spass.
probiert es mal aus.

total kreativ und revolutionär wäre natürlich auch, bei einem konzert der 'musikalischen früherziehung' auf die bühne zu pinkeln. wenn ich das jemals gemacht hätte, dann nur aus dem grund, dass ich 'geh doch vor dem auftritt nochmal auf die toilette', als arbeitsauftrag verstanden hätte, den es möglichst kreativ zu umgehen gilt.

(ich bin übrigens das einzige kind meiner eltern, dass nicht einige jahre nach der musikschule auf die tanzschule geschickt wurde)

Dienstag, 16. Oktober 2007

unsinn reden

ich könnt heute prima vom verfall von sitten und moral berichten.
ich könnte euch von dem mann erzählen, der es für wichtig hielt, mit seinem fahrrad als erstes in den bus zu steigen, um dann damit den eingangsbereich zu verstellen, und den einsteigevorgang um mehrere hand voll sekunden zu verzögern.
aber der ist ja kein böser mensch.
der hat einfach nicht nachgedacht.
genau wie sich treffende mütter, die es unabsichtlich schaffen auf fussgänger- und radweg wagenburgen, oder besser noch: strassensperren, zu errichten.
ich selbst bin jahrelang leidenschaftlicher kinderwagenschieber gewesen, und bilde mir ein, immer aufgepasst und dran gedacht zu haben, bin aber auch nicht arrogant genug, damit zu rechnen, dies immer geschafft zu haben.

der mann mit dem fahrrad wurd dann auch zwei stationen später vom busfahrer herausgebeten, weil man keine fahrräder mit bussen transportieren dürfe.
er stieg dann aus, und ich will an dieser stelle unerwähnt lassen, dass er mir dabei auf den fuss trat. insofern ist auch die tatsache, dass ich etwas eingewachsene fussnägel habe, und jeder tritt auf meinen schuh, stechende und lang anhaltene schmerzen im dazugehörigen fuss zur folge hat, für den leser total unerheblich, und soll ebenso unerwähnt bleiben.

nur so viel: viele menschen in meiner situation hätten zur schusswaffe gegriffen und ihn niedergestreckt.
ich nicht!

aber ich erwarte keine dankbarkeit, ich bin eben ein menschenfreund.
nicht so einer den es stört, dass auf der anderen seite der steckdose ein atomkraftwerk steht, oder der keine kuckuck-eier mehr isst, bloss weil die bald aussteben, aber ein menschenfreund.
freundlich genug, dass ich der dame aus der tram beinahe auf ihr undefinierbares gefasel hin, in dem das wort krankenhaus mehrmals vorkam, den weg zu einem erklärt hätte.
aber ich erkannte, dass sie einfach nur vor sich hin faselte, wie es so viele tun.
diese rumfaseler kann man übrigens in zwei gruppen einteilen,
in jene, die ein total trendy headset für ihren mobilen fernsprechapparat haben, und ganz viel unsinn reden, und in jene, deren hose total nass ist und die ganz schlimm nach urin riechen, und die nur unsinn reden.
na ja, vielleicht hatte die ein handy, dann kann sie ja im krankenhaus anrufen.

aber vom verfall von sitten und moral will ich ja gar nicht berichten, obwohl der alte sack auf dem gehweg vor mir heute den zwei jungs, die sehr offensichtlich weder das 16. noch das 18. lebensjahr jemals in ihrem leben bisher erreicht hatten, auf anfrage hin, zigaretten schenkte.
ich lasse es mir nicht nehmen, dass auf künstlerische und zugleich moderne art und weise durch die nun folgenden zwei leerzeilen anzuprangern:


ich überholte die zwei jungs schnellen schrittes auf dem gehweg, und zündete mir dabei eine zigarette an.
wer mich kennt, der weiss, dass ich fast alles tue, wenn man mich nur freundlich darum bittet.
um so überraschter war ich über mich selbst, als die beiden mich höflich fragten, ob ich feuer hätte. ich drehte mich zu ihnen um, nahm einen zug, bliess rauch rurch die nasenlöcher heraus, grinste, und sagte 'nein'.

ich glaube, das einzige mal dass ich in meinem leben noch offensichtlicher gelogen habe war, als ich in etwa in dem alter dieser jungs war, und meine mutter mich fragte, ob ich drogen genommen hätte.

Freitag, 12. Oktober 2007

ganz plötzlich

heute war ich ganz plötzlich betrunken.
ab in ne dönerbude, was fürn magen holen - das machen menschen seit tausenden von jahren.
aber heute bin ich in ne dönerbude, und da ignorierten mich alle, wie es normal ist, und dann fiel mir auf, dass da kein spiess hing... jetzt esse ich ente süss-sauer... ich will mich nicht beschweren, aber warum habe ich nicht den mut gehabt, zu sagen: 'ich will das zeug nicht essen und gehe aus dem laden, ohne was zu kaufen!' ...ich glaub ja mittlerweile, das ist so, weil nordkorea die atombombe hat.

Donnerstag, 11. Oktober 2007

der mozarella ist alle

weil heute so richtig gar nichts passiert ist, ich aber lust zu schreiben habe, werde ich über zwei erlebnisse in zwei verschiedenen bäckereien berichten.
beides ist mir im sommer passiert, aber ich werde mich bemühen, sie so zu verfassen, dass ein leser denken könnte, es wäre im oktober passiert.

'puhh, ist mir heiss!' dachte ich. die sonne schien mir ins gesicht, als ich zwischen einer bäckerei und einem krankenhaus auf eine mitfahrgelegenheit wartete. ich hatte hunger und, weil es so heiss war, auch grossen durst, entschied mich aber trotzdem gegen das krankenhaus und betrat das ladengeschäft der bäckerei, wo gleich zwei bäckereifachverkäuferinnen mich gekonnt ignorierten.
als ich da so stand und mich ignorieren liess, konnte ich folgendes ladenpersonalgespräch belauschen:
'du, der mozarella ist alle'
'hast du schon im lager geschaut?'
'ja, da ist keiner mehr.'
'den müssen wir dann bestellen.'
'und was mach ich jetzt? soll ich tomate-ei-brötchen machen?'
ich habe daraufhin extremst schmunzeln müssen. eine wirklich tolle idee, einfach was mit der gleichen farbe zu wählen. aussehen ist so wichtig heutzutage.
ist ja nicht so wichtig wie es schmeckt.
der tomate ei brötchen vorschlag wurde übrigens abgelehnt, und die weisung herausgegeben, mehr käsebrötchen herzustellen.
eine sehr gute entscheidung, wie ich finde.
die entscheidungstragende hörte dann mit ignorieren auf, ich verlangte kaffee, wasser und ein käsebrötchen, bekam alles, bezahlte und ging.
gern hätt ich mir auch ein eis gekauft, aber es war ja ein bitterkalter oktobertag.


ein weiteres bäckereierlebnis beeindruckte mich ähnlich tief. ich betrat die bäckerei und vor dem tresen stand eine schlange. ich stellte mich hinten an und schaute so zwangsläufig auf das dünne t-shirt des mannes vor mir. es war bestimmt irgendein werbe-shirt von einer band, die sich bemüht ein möglichst gewalttätiges image zu haben. es war schwarz und es war eine recht düstere massenvergewaltigungszene darauf abgebildet. ich denke allerdings heute noch darüber nach ob es nicht eines dieser bilder war, die zwei sachen abbilden, und man feststellt, was man für ein mensch ist, je nachdem, was man zuerst erkennt. ein rohrschacht-shirt vielleicht.
aber nein, es war eine massenvergewaltigung. allein schon, weil der rest von dem typen so düster und gewalttätig aussah.
oh mann ich verzettel mich wieder, dabei ist es nur ne kleine anekdote.
nochmal:
es war sommer - nein! oktober! ich stand beim bäcker in der schlange. der mann vor mir sieht gross und fiese und gewalttätig aus.
gar nicht so schlecht, dass ich so lang um den heissen brei herum geschrieben habe, denn inzwischen ist der kerl schon dran.
mit einer glockenhellen stimme - fast fiepsig - bestellt er 'zwölf apfeltäschchen'!
nicht diese normalen handgrossen apfeltaschen, nein, jene mini-täschchen, die in einen fingerhut passten, wären fingerhüte nur grösser.
ich musste mich anstrengen, nicht laut zu lachen.
'zwölf zentner schwarzbrot, aber n bisschen zackig!' hätte nich nicht gewundert - aber apfeltäschchen...
den ganzen tag war ich glücklich, dass ich hatte dabei sein dürfen, als das passierte.
es beflügelt die phantasie. ich stellte mir vor, wie er zurück in den proberaum seiner band geht, den 'mega death heavy rapers', und freudig verkündet: 'ich hab uns apfeltäschchen mitgebracht!' dann versuchen sie, die zwölf täschchen gerecht auf alle fünf bandmitglieder zu verteilen...

Mittwoch, 10. Oktober 2007

so ein arschloch

jetzt haben sie es wieder getan.
kürzlich wurde der 'vogel des jahres' gewählt.
nein, nicht etwa der vogel des vergangenen jahres, den man damit für herausragende leistungen belohnt, nein, der vogel des kommenden jahres wurde gewählt.
und die wahl fiel für 2008 auf einen totalen arschloch-vogel!
ich kann mich mit dem ergebnis absolut nicht anfreunden.
man stelle sich vor, man wäre ein huhn. da steht man ein leben lang in einem engen käfig und reisst sich für die menschen den arsch auf, nur damit die was rundes frühstücken können, und?? war das huhn schon einmal vogel des jahres? nein, noch nie!
die wählen immer die arschlöcher! wie im richtigen leben.
1985 war es zum beispiel der neuntöter aus der familie der würger!
da muss ich jetzt echt nichts mehr zu sagen, oder?
wer darauf hofft, in diesem text zu erfahren, wer denn nun vogel des jahres 2008 geworden ist, den möchte ich nun schon mal enttäuschen und kundtun, dass ich diesen schmarotzer hier nicht erwähnen werde.
vielleicht hat der werte leser ja internet, dann kann er ja mal suchen.
aber zum kuckuck, ich werd es hier nicht erwähnen!

die wählen einfach einen vogel für das kommende jahr, ohne mit sicherheit zu wissen, ob der dann nicht schon ausgestorben ist, oder was der 2008 alles so anstellt.
da sollte man viel vorsichtiger sein. man stelle sich vor, man hätte 1940 den diktator des jahres 1950 gewählt. das wär total peinlich geworden.
wer wählt den vogel überhaupt? mich hat keiner gefragt!
wenn es um katze des jahres ginge, würd ich ja behaupten, es sei ein abgekatertes spiel. aber selbst wenn mir so ein drolliges wortspiel zu vögeln einfallen würde, wär mir das echt zu billig.

und was bringt es dem vogel?
wenn dieser jetzt über die grenze nach österreich fliegt, ist er noch immer vogel des jahres, wenn er jedoch in die schweiz fliegt, ist er es nicht mehr. ich könnt sogar wetten, dass der arme vogel das nichteinmal merkt.

die wählen da einfach für 2008 einen vogel, der sich nichtmal selber um seine kinder kümmert, sondern die eier einfach anderen unterjubelt, die sich dann um seine jungen kümmern.
was für ein arsch!
da freut sich das wasserpieperweibchen, dass ihr junges schlüpft. sie hegt und pflegt es, und ahnt nicht, dass sie den mörder ihrer eigenen kinder heranzieht.
was für ein arschloch-vogel!
was ist das bitte für ein signal an die gesellschaft?
wer wird mutter des jahres 2008? die hundertste nutzerin der babyklappe?

ich distanziere mich hiermit vom diktat des nabu, und wähle in zukunft immer meinen eigenen 'vogel des jahres'. ein titel der in diesem fall weltweit gültigkeit hat und erst im nachhinein vergeben wird.
zusätzlich werde ich auch einen 'unvogel des jahres' bestimmen.

hier die wahlergebnisse:
vogel des jahres 2006: huhn
unvogel des jahres 2006: neuntöter

Montag, 8. Oktober 2007

du, tram

heut bin ich mal zur tram gerannt, dass ich nicht der einzige war, gab mir hoffnung.
sie fuhr dann weg, ohne uns einsteigen zu lassen.
mein beherztes drücken auf den tram-öffne-dich-knopf war in beförderungstechnischer hinsicht wirkungs- und nutzlos.
ich bekam jedoch von meiner mit-zur-tram-rennerin ein wirklich zauberhaftes lächeln.
eines dieser wirklich schönen kömplettgesichtsmuskulaturlächeln.

wenn sie mich gebeten hätte, dafür zehn minuten in der kälte zu stehen, hätt ich das auch gemacht, wenn wir rechtzeitig an der tram gewesen wären.
ich überlege, ob ich ihr ein gespräch aufdrängen soll, entscheide mich aber dann dafür, meinem buch ein gespräch aufzudrängen, dieses dreht den spiess um. ich lese, und der massenträgheit wegen sausen meine augen manchmal über das zeilenende und den rechten buchrand.

'eine wirklich schöne frau', denke ich, immer wenn das passiert, obwohl ich das anders formuliere, wenn ich mit mir selber rede. ich vertrau mir eben - anders als euch, und darum rede ich mit euch nicht so.
ich möchte an dieser stelle all jene, die mit dem ausmalen meiner internen formulierungen über die stränge schlagen, darum bitten, das lesen augenblicklich einzustellen. ich bin anständig!
ich rauche und lese. sie telephoniert und raucht.
wenn ich in diesem augenblick wie ein indianer ein ohr auf die schienen gelegt hätte, hätte ich die nächste tram gehört und wäre nur wenige dutzend sekunden später von ihr überfahren worden.
'kein wunder, dass es nicht mehr so viele indianer gibt', denke ich.
in fast genau dem moment in dem ich überfahren worden wäre, trüge ich federschmuck, kommt die profi-lächlerin zu mir, und stellt ihr können unter beweis.
ich bemühe mich, so schön zu lächeln, wie ich nur kann - na ja, der gedanke zählt...
sie steht mir gegenüber. augen wie sterne.
'entschuldigen SIE, wissen SIE wie spät es ist?'
meine gedanken in diesem moment reichen von menschenverachtenen gewaltphantasien, über die frage 'ist nicht in jedem handy eine uhr?' bis hin zu menschenverachtenen gewaltphantasien.
statt sie oder mich zu töten sage ich: 'zwanzigEinundzwanzig', und denke daran, dass ich in diesem alter immer geduzt wurde.
die tram öffnet ihre türen.
sie bleibt draussen.
die tram schliesst ihre türen.
sie drückt verzweifelt wie auch vergebens auf den offnen knopf.
die tram fährt los.
ich schlage mein buch auf und lächele, eines von diesen zauberhaften gesamtgesichtsmuskulaturlächeln.
alles ist in ordnung. die welt gehorcht wieder meinen gesetzen.

(wenn sie sich weiterhin so blöde anstellt, könnt ich ja auch in ner stunde wieder hinfahren, und sie auf einen drink einladen)